Letzte Woche ist mir ein interessanter Artikel der US-Bank JP Morgan zum weiteren Verlauf der Covid-Pandemie ins Postfach geflattert. Da seine Autoren mit ihren Prognosen zur treffsicheren Sorte gehören und ich nicht das Gefühl habe, dass das Krisenmanagement in der Schweiz über die Zahlen verfügt, welche es bedarf, um ein Land durch eine Pandemie zu lotsen, fasse ich die Erkenntnisse nachstehend gerne kurz zusammen.
Wie das Bundesamt für Gesundheit unter ihrem Vorsteher Bundesrat Alain Berset mit gezielten «Leaks» an ausgewählte Medien immer wieder zeigen, gibt es in der Schweiz durchaus eine Form von basisdemokratischem Krisenmanagement. Anstelle einer eingespielten, straffen Organisation herrscht das Prinzip des «Wisdom of the Crowd». In einem Land, wie der Schweiz, in dem das Volk in regelmässigen Abständen mitdenken und mitdiskutieren darf, ist dies keine schlechte Variante. In diesem Geiste ist auch dieser Artikel zu sehen.
Die Autoren um Dr. Marko Kolanovic von „Global Quantiative & Derivatives Strategy“ gehen primär den Fragen nach, welche Auswirkungen die Covid-Mutation «B.1.1.7.» auf den weiteren Verlauf der Pandemie haben wird und welche Rolle die Impfungen spielen. Trotz der bisher eher schmalen Datenbasis wagen die Ökonomen die Prognose, dass die Pandemie innerhalb der nächsten 40 bis 70 Tagen für beendet erklärt werden kann, wobei sie saisonale Effekte und Impfungen als wesentliche Treiber sehen. JPMorgan zeigt sich durchaus etwas beunruhigt über die Mutationen, sie halten aber an ihrer Prognose fest.
Die folgende Grafik zeigt die Anzahl Covid-Fälle pro 1 Million Einwohner für die USA, England und Dänemark. Die Punkte auf den Kurven zeigen den prozentualen Anteil der «britischen» Mutation B.1.1.7 an den Neuinfektionen.

Abbildung 1, Quelle: J.P. Morgan Quantitative and Derivatives Strategy, JHU CSSE
Frage 1: Wie werden sich die Anzahl Fälle entwickeln?
Sowohl in Dänemark (blaue Linie), als auch in England (orange Linie) gehen zwar die Anzahl Fälle stark zurück, die Mutation B.1.1.7. wird aber immer mehr zur dominierenden Variante. Für die US gehen sie deshalb von einer analogen Entwicklung aus. Für die Schweiz bedeutet dies, dass man wohl mit einer ähnlichen Entwicklung rechnen kann. Die Zahlen gehen auch hierzulande kontinuierlich zurück und der Anteil von «Mutanten» nimmt zu. Wenn die Mutationen zu dominieren beginnen, ist die entscheidende Frage, ob die Impfstoffe auch gegen die Mutationen wirken. Gemäss aktuellen Informationen scheint das der Fall zu sein.
Frage 2: Wie wirken sich die Impfungen aus?
Die folgende Grafik zeigt die Änderung der täglichen Covid-Fälle pro 1 Mio. Einwohner auf der Y-Achse und der Anteil der bereits geimpften Bevölkerung.

Abbildung 2 | Source: J.P. Morgan Quantitative and Derivatives Strategy
Folgende Erkenntnisse lassen sich daraus (und weiteren Daten) ableiten:
- Impfungen haben einen positiven Einfluss, wenn sie in Zeiten von sonst schon sinkenden Fallzahlen verabreicht werden. Andererseits senken sie die Fallzahlen bei einer sehr schnellen Ausbreitung eher nicht.
2. JPMorgan weisst darauf hin, dass viele Länder über heterogene Strukturen verfügen und sowohl die Impfungen, als auch die Verbreitung des Virus je nach Region und Demografie unterschiedlich verlaufen könne. Man müsse deshalb ähnliche örtliche Rahmenbedingungen miteinander vergleichen.
3. Für jede 10%-ige Steigerung der Impfrate hat die Anzahl Fälle pro Million Einwohner um 230 abgenommen. Weil auf der nördlichen Hemisphere noch begünstigende saisonale Faktoren dazukommen, geht JPMorgan davon aus, dass das Gröbste wohl überstanden ist (vgl. oben).
Schliesslich stellt sich noch die Frage, warum die Zahlen Israel nicht stärker gesunden sind. Offenbar ist die «Covid-Compliance» in Israel sind besonders ausgeprägt und ein wesentlicher Anteil der Infektionen geht auf Junge Leute zurück, welche noch nicht geimpft worden sind. Zudem dauert es seine Zeit, bis die Immunität tatsächlich einsetzt.
Alles in allem ist zu hoffen, dass man in Bern über mindestens so gute Zahlen verfügt, dass die weiteren Massnahmen zur Bekämpfung der Krise zielgerichtet, effektiv und effizient sein werden.